Überprüfungen von Klasse I Herstellern durch Behörden laufen vermehrt an. Was derzeit passiert und was man unbedingt beachten sollte.

Daniel Laufersweiler
November 9, 2021
Medical Device Regulation

Lange war nicht klar, wie Landesämter und Regierungspräsidien mit MDR Inspektionen umgehen. Jetzt zeichnet sich ab, dass vermehrtTermine für Überprüfungen angekündigt werden. Auch wie diese Überprüfungen ablaufen, wird immer deutlicher. Die Ämter sind genauer geworden. Sogar Verkaufsverbote stehen im Raum. Die Hersteller sind teilweise überrascht über das fundierte Vorgehen, obwohl die MDR erst wenige Monate aktiv ist.

Aktuelle Erfahrungen können helfen die eigene Situation besser einzuschätzen und die richtigen Vorbereitungen zu treffen. Denn klar ist:die Anforderungen der MDR wollen umgesetzt sein; ohne großen Spielraum für Interpretationen.

Der Fokus liegt klar auf der Umsetzung der MDR Anforderungen. Sei es beim QM System oder der Technischen Dokumentation

“Was genau und wie detailliert wird kontrolliert?“ – Uns erreichen vermehrt genau diese und ähnliche Fragen. Einige uns bekannte Unternehmen wurden bereits nach den MDR Anforderungen überprüft; viel früher als die meisten es für möglich hielten. Diese Erfahrungen möchten wir gerne mitIhnen teilen.

Die Inspektor:innen halten sich genau an denRegulierungstext. Abweichungen werden ähnlich einer Benannten Stelle gut referenziert aufgezeigt und mit einer klaren Erwartungshaltung kommuniziert. ImFokus sind beide „Seiten“: Das QM System (Art. 10) sowie die Technische Dokumentation (Anhang I - III). Der Blick auf das Normenmanagement wird genutzt, um zu überprüfen, ob „State-of-the-Art“-Normen angewendet werden. Nutzen Sie dennoch ältere Ausgaben, sollte dies gebührend begründet sein. Die Klinische Bewertung gehört auch bei Klasse I Produkten zur Akte. Gar eine etwaige Klinische Prüfung wird abgefragt. Besonders in derVerbindung zur Klinischen Bewertung werden die geplanten PMS(Post-Market-Surveillance)-Aktivitäten überprüft. Hier ist herauszustellen, dass ein globaler PMS Plan über alle Produktfamilien nicht akzeptiert wird.

Vereinzelt wird über eine überraschend genaue Einsicht in das Risikomanagement (ISO 14971) berichtet. Besonders wenn Prozesse ausgelagert sind, oder gar das komplette Produkt fremdgefertigt wird, kann es ungemütlich werden. Es wird erwartet, dass Sie externe Produktionsstätten wie Ihre eigenen behandeln und somit überwachen, bzw. kontrollieren.

Überprüfen Sie den Status ihres QM Systems. Sind alle Anforderungen der MDR umgesetzt und aktiv? Wie steht es um die Technische Akte? Wurden alle Anforderungen nach Anhang I-III adressiert? Ein großer Schwerpunkt liegt auch bei der Klinischen Bewertung, PMS und der Anwendung aktueller Normen. Wie z.B. der 14971 –Risikomanagement. Es gibt ausgelagerte Herstellprozesse? Haben Sie entsprechende Qualitätsvereinbarungen und Überwachungsaudits durchgeführt?

Die Detailtiefe der Inspektion darf man als akribisch und fundiert bezeichnen. Oder kurz und knapp, wie ein Feedback es beschreibt: „Da hat jemand seine Hausaufgaben gemacht!“ Das darf man ruhig behaupten, denn es wird teilweise auch die korrekte Klassifizierung der Produkte diskutiert.

Landesämter und Regierungspräsidien halten nicht mit Abweichungen zurück. Verkaufsverbote stehen im Raum.

„Es hagelt Abweichungen“. O-Ton nach einer Inspektion. Vergleicht man den Stand der MDR Implementierung bei diversen Herstellern, erkennt man einen Flickenteppich. Nicht von der Hand zu weisen ist allerdings der Umstand, dassHersteller mit aktuellen Abweichungen bereits die MDD Anforderungen nicht gänzlich erfüllten. Die Aktualisierung der QM Systeme und der TechnischenDokumentation von einem lückenhaften MDD Status zum MDR konformen Stand, gepaart mit den nun strengen Kontrollen, vervielfacht den Aufwand für die betroffenen Hersteller.

Je nach Stand der Expertise wurden die MDR Anforderungen in den letzten Jahren nach und nach implementiert. Hat jemand seine Stärken im biologischen Sektor, finden sich exzellente biologische Bewertungen und einausgezeichneter Stand der Verifizierungen und Validierungen (Anhang II). Hier hat die Technische Dokumentation aber an anderer Stelle, z.B. dem Risikomanagement, ihre Schwächen. Beim nächsten Hersteller verhält es sich wieder andersherum. Es wird deutlich, dass die Implementierung und dann einaktives MDR System eine Teamaufgabe ist. Denn zurzeit resultieren aus dem genannten „Flickenteppich“ üppige Abweichungsberichte, welche unter Zeitdruck abgearbeitet werden müssen. Die sorgfältige Bearbeitung der Abweichungspunkte ist besonders wichtig.Es geht um nicht weniger als das Verhindern eines Vertriebsverbots der Produkte.

Hoffnung ist keine Strategie! Sollte die MDR Implementierung (QMS, TD) noch nicht abgeschlossen sein, ist Eile geboten.

Auch bei erfolgter MDR Implementierung sollte das Audit nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Wer darauf setzt, dass eigene Schwachpunkte vielleicht nicht entdeckt werden, ist schlecht beraten. Eininternes MDR Audit hilft dabei das eigene System zu überprüfen. Mögliche Lücken und Schwächen können dann noch mit der nötigen Zeit geschlossen bzw. beseitigt werden. Ein solches Mock-Audit kann intern oder durch externe Hilfe organisiert werden.

Für Klasse I Hersteller, die derzeit noch am MDR Projektarbeiten, tickt die Zeit. Es ist davon auszugehen, dass Inspektionen nun weiter ansteigen werden. Ebenso wie die Benannten Stellen werden die Behörden mit jeder Inspektion mehr Erfahrung sammeln und diese auch verwerten. Bei einem nicht abgeschlossenem MDR Projekt zu diesem Zeitpunkt sei natürlich erwähnt, dass man unter Umständen ein nicht konformes Produkt am Markt vertreibt.

Digitale Lösungen versprechen Erleichterung. Wie weit reicht die Hilfe?

Hybride Softwarelösungen* im regulatorischen Bereich liefern die nötigen Strukturen, Prozesse und helfen bei Know-How-Engpässen mit Beratern.Natürlich kann durch eine Software nicht das gesamte Konformitätsbewertungsverfahren automatisiert werden, aber es lässt sich vieles stark vereinfachen und automatisieren. Ferner gibt sie dem Hersteller eine gute Hilfestellung, um alle MDR Anforderungen adäquat umzusetzen. Auch nach dem MDR Projekt ist der Aufwand stark erhöht. Denn die MDR muss nicht nur implementiert, sondern im Anschluss auch aktiv gelebt und unter Berücksichtigung aller Anforderungen fortgeführt werden. Somit ist die Digitalisierung nicht ein Allheilmittel, aber eines der wichtigsten Bausteine einer belastbaren, regulatorischen Strategie.

Durch moderne SaaS-/cloudbasierte Softwaresysteme sind Implementierungszeiten für RA und QM Software drastisch gesunken. Auch das Investmentrisiko hat sich verringert, da keine hohen Summen für Kauflizenzen ausgegeben werden müssen. *als Beispiel dient eine Plattform für digitale Technische Dokumentation, digitale QM Prozesse und digitale Beratungsdienstleistungen.

Fazit

Hersteller der Klasse I haben entweder gehofft, oder sie haben sich vorbereitet. Die Marktversorgung als oberste Prämisse hat verschiedene Hersteller dazu veranlasst sich zurückzulehnen, da ihre Produkte seitJahrzehnten erfolgreich am Markt sind und der bürokratische Mehraufwand aufGrund der MDR wird leider oft als Makulatur betrachtet. Doch die immer größer werdende Zahl an Inspektionen zeigt, dass die Behörden sich in jedem Fall gut vorbereitet haben und ihre Aufgabe der Überwachung ernst nehmen. Wir können klar beobachten, dass Verkaufsverbote kein entferntes Szenario sind, sondern ein reales Risiko darstellen. Da bereits die ersten Verkaufsverbote verhängt wurden.

Ist ein MDR Projekt noch nicht abgeschlossen, oder noch nicht intern auditiert worden, ist es spätestens jetzt an der Zeit zu handeln.

Hintergrund:

Hersteller der Medizinprodukteklasse I (ohne Zusatz wie: m, r,s) beziehen beim Konformitätsbewertungsverfahren keine Benannte Stelle mit ein.Da kein EC-Zertifikat ausgestellt wird, ist die EU-MDR 2017/745 ab dem26.05.2021 voll anzuwenden. Zuständig für die Überwachung sind die lokalen Behördenwie Landesämter und Regierungspräsidien.

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